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Mädchen aus Gross-Denkte bei Wolfenbüttel, Herzogtum Braunschweig.

Gross-Denkte, Trachten, Niedersachsen, Lipperheide, Wolfenbüttel, Braunschweig,
Mädchen aus Gross-Denkte bei Wolfenbüttel, Herzogtum Braunschweig.

Mädchen aus Gross-Denkte bei Wolfenbüttel, Herzogtum Braunschweig.

Von Franz Meyerheim.

Wenn H. Laube in seinen Reisebildern den Braunschweigischen Bauer wegen seines stolzen und selbstbewussten Auftretens, wie wegen seiner Tracht den Kastilier des Nordens nennt; so enthält dieser Ausspruch jetzt nur noch in seinem ersten Teile eine Wahrheit. Die auszeichnende Kleidung, früher der Stolz des Landmannes, der lange, dunkle, rotgefutterte Tuchrock oder der weisse Leinwandrock mit rotem Unterfutter aus demselben Stoff, beide mit einer Reihe Taler grosser, dicht aneinander gesetzter Silberknöpfe, die scharlachrot, mit kleinen, silbernen Knöpfen dicht besetzte Weste, die gelblederne Kniehose, die langen, blauen Strümpfe und Schnallenschuhe im Sommer, die hohen Stiefel im Winter sind verschwunden, und der Bauer ist in seiner Kleidung vom Städter in keiner Weise mehr zu unterscheiden. Nur in den Dörfern an den Höhenzügen Elm und Asse, sowie an der Ocker und in den im Nordwesten von Braunschweig gelegenen Dörfern hat der Landmann in seinem Anzug noch manches Altväterische beibehalten und bewahrt.

Ausdauernder noch als die Männer haben die Frauen, namentlich die bejahrten, die ihnen von den Voreltern überkommene Tracht festgehalten, doch auch diese schwindet immer mehr und mehr und gibt den städtischen Moden mit jedem Tage grösseren Raum. Und doch ist die Braunschweiger ländliche Tracht so schmuck und kleidsam und steht in ihrer Sauberkeit und Anmut dem Landmädchen so reizend, dass es in der Tat zu beklagen ist, dass sie mit raschem Schritt ihrem Ende naht und meist nur noch in Truhen und Kommoden zum Andenken an die alte Zeit bewahrt wird. Begleiten wir, da es noch Zeit ist, die jüngeren Mädchen aus dem unter der Asse gelegenen Dorf Gross-Denkte auf ihrem sonntäglichen Kirchgang.

Die Töchter der reichen Bauern tragen das meist blonde Haar gescheitelt und zu beiden Seiten glatt hinter die Ohren gekämmt; die Flechte ist auf dem Hinterkopf zusammengebunden und wird von der kleinen, spitzen, mit schwarzer Seide überzogenen Mütze bedeckt. Diese selbst ist von so geringem Umfang, dass sie eben nur das Haarnest in sich aufnimmt und entsprechend auf demselben hängt, den übrigen Kopf aber frei lässt; ihrer Form wegen, weil sie einer halben Eierschale an Form und Grösse ähnelt, wird sie gemeinhin „Eidopp“ genannt. Von ihr fallen schwere, schwarzseidene Taft- oder Atlasbänder in reicher Zahl über den Rücken bis zur Kniekehle hinab, sind unten mit Franzen benäht und kehren ungeteilt und unaufgeschnitten zur Mütze zurück, so dass der ganze Bandreichtum nur aus einem einzigen Stück Band besteht. Dass eine solche Mütze ihres Schmuckes wegen, – es werden wohl oft dreissig- bis vierzig Ellen dazu verwendet, – einen beträchtlichen Wert hat, lässt sich denken.

Zu beiden Seiten des Kopfes fallen vorn gleichbreite, schwarze Bänder auf die Brust herab, während die Mütze selbst durch ein schmales. unter dem Kinn hindurch gehendes Band gehalten wird. Das Mieder mit sehr kurzer Taille von schwarzem Tuch mit Seidenstickerei wird durch das schwere, um die Schultern geschlagene Seidentuch von schwarzer oder violetter Farbe mit reicher Seidenstickerei in Plattstich und langen, gelben oder schwarzen Fransen gänzlich bedeckt; über dieses Tuch legt sich die schneeweisse, von feinstem Leinen verfertigte und steif gestärkte, gefältelte Halskrause. Ein schmales Halsband von schwarzem Samt mit ovalen, schweren silbernen Buckeln von der Grösse einer Wallnuss (sogenannten Bohnen] besetzt und bei hohen Festen und besonders feierlichen Gelegenheiten ein Halsband von starken Bernsteinperlen umschliesst den von der Sonne gebräunten Hals.

Unter dem Tuch sieht das feine, den Oberarm bedeckende, den Unterarm freilassende, mit schmalen Spitzen am Queder (Bündchen) besetzte Hemd hervor. Vom Mieder herab bis auf die Füsse fällt Winter wie Sommer der rote, reich gefältelte Rock von feinstem Flanell, unten in zwei Reihen mit handbreitem, grünem Frisoletband *) oder mit schwarzem Samt besetzt. Eine lange, ebenfalls bis zu den Füssen reichende, gewöhnlich schwarzseidene oder bunte, mit Blumen gemusterte Schürze von feinem Kattun bedeckt diesen Rock; breite, seidene Schürzenbänder, meistens in den Landesfarben, blau und gelb, und an den Enden mit gelbblauen Fransen benäht, flattern an derselben entlang. Hellblaue, baumwollene Strümpfe mit weissen Zwickeln und blank geputzte, ausgeschnittene Schuhe vollenden den malerischen Anzug.

*) Frisolet-Bänder, wurden aus sehr fein gesponnener Floretseide in der Schweiz hergestellt.

Minder kostspielig und von gröberem Stoff ist der Anzug der Mädchen aus den geringeren ländlichen Klassen. Die Mützenbänder fallen nur auf den Rücken hinab; Alles ist von derberem Stoff; die Halskrause legt sich in wenigen schlichten, ungesteiften Falten auf die Schultern; unter dem Halstuch sieht das bunte Mieder von geblümtem. mit buntfarbigem Band eingefasstem Kattun hervor. Die Schürze besteht aus gelbem Kattun oder ähnlichem Zeug, die Schürzenbänder sind schmal und von geringer Beschaffenheit. Der Rock ist von schwarzer oder doch dunkler Beiderwand *), und die Ärmel des groben Hemdes sind am Queder mit blauer Litze eingefasst. Das Samthalsband entbehrt der silbernen Zierraten oft gänzlich, und statt der Bernsteinperlen begnügt sich das Landmädchen geringeren Standes mit dicken Perlen von gelbem Glas.

*) Meist selbst hergestellter, halbwollener Stoff.

Nur wenige Jahre noch, und die letzte Spur der ländlichen Kleidung wird auch im Braunschweigischen verschwunden sein. Der durch Zuckerrübenbau reich gewordene Bauer schämt sich der väterlichen Tracht; seine Kleidung ist städtisch geworden, und statt der früheren Silberknöpfe prangt die schwere, goldene Uhrkette auf der Brust. Söhne und Töchter lernen in den Pensionen und Lehranstalten der Hauptstadt städtische Sitte und kleiden sich städtisch. Die Wohnungen der reichen Landleute, die sich nicht mehr Bauern, sondern Gutsbesitzer und Ökonomen nennen, sind mit allem städtischen Komfort eingerichtet, und wohl nur wenige reiche Bauern dürfte es geben, in deren „Salon“ nicht ein teurer Cabinet-Flügel zu finden wäre. Da muss schliesslich wohl die Tracht der Vorfahren weichen.

Quelle: Blätter für Kostümkunde: historische und Volkstrachten von Franz Lipperheide. Neue Folge, bd. 1-3 [v. 1-3], Bildlicher Beschreibender Teil von August von Heyden. Herausgegeben von A. von Heyden. Berlin 1887.

Quelle: Blätter für Kostümkunde: historische und Volkstrachten von Franz Lipperheide.

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