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Die ersten christlichen Pönitenten und Flagellanten.

Dem Christentum 1) ist es vorbehalten geblieben, die Geißelungen zu Ansehen und Ehre zu bringen, eine große Mannigfaltigkeit darin einzuführen und schließlich das ganze weite Gebiet der Geißelungen systematisch zu gliedern.

Die ersten christlichen Pönitenten und Flagellanten.

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Zwei große Gruppen sind bei den Geißelungen der Christen zu unterscheiden, die Pönitenten und die Flagellanten; erstere empfingen die Geißelung von Anderen, letztere geißelten sich selbst. 2) Die Beurteilung der bei den Arten seitens der Kirche war eine verschiedene: die Pönitenten sah man mit Freuden ihren Übungen obliegen, die Flagellanten zogen sich bisweilen den Zorn der Kirchenfürsten zu.

1) Es ist selbstverständlich, daß ich „Christentum“ hier nicht in dem idealen Sinne gebrauche, sondern nur die jeweilig herrschende Geistesrichtung der katholischen Kirche damit bezeichne. Wie die Ansichten über unser Thema oft aufeinander platzten, wird in diesem Teil mit dargelegt werden.
2) Die Schriftsteller Ober Geißelungen lassen diesen wichtigen Unterschied nicht immer deutlich erkennen.

Dem einfach und vernünftig denkenden Menschen, dessen Geist weder durch Mystik noch durch Autoritätsglauben verwirrt ist, mag es nicht ganz klar sein, daß ein so großer Gegensatz darin besteht, daß man sich geißeln läßt oder sich selbst geißelt. Es handelt sich doch nur um einen Modalitäts- aber keinen Artunterschied. Aus derselben Gesinnung und Stimmung ist zumeist Beides entsprossen, wie man auch denselben Zweck damit erreichen will, und doch sind die Geister oft und heftig aneinander geraten, mit dem gelehrtesten Rüstzeug ausgestattet, kämpfte man nach sophistischer Taktik.

Flagellanten, Mittelalter, Geißler, Carl von Marr, Malerei, Büßerbewegung
Die Flagellanten, Carl von Marr 1889.

Die Blüte des Flagellantismus waren die großen Geißlerfahrten des 13. und 14. Jahrhunderts. Die Ordensregeln der Mönche und Klöster haben die beiden Arten der Flagellations- und Poenitentsystems wieder harmonisch vereinigt und dadurch gestärkt.
Wir müssen hier einen kurzen Blick auf die Lebensanschauung des Urchristentums werfen.
Vier Sätze kann man aufstellen, in denen die grossen Wahrheiten des Christentums zusammengefaßt werden:

–  Das Leiden ist eine wesentliche Seite des menschlichen Lebens,
– Sünde und Schuld sind eine wesentliche Seite des Menschenlebens,
– Die Welt lebt durch den freiwilligen Opfertod des Unschuldigen und Gerechten,
– Es gibt ein zukünftiges Leben.

Es ist ein herber Inhalt, der sich in den ersten zwei Sätzen birgt, und herbe waren auch die Schlussfolgerungen, die man aus den beiden Letzteren zog. Die Grundachse alles Denkens war der Kreuztod Christi, er prägte den Taten der ersten Christen seinen Stempel, er reizte Jahrhunderte hindurch zur Nachfolge. Dem Gekreuzigten gleich zu leiden galt für herrlich. Da kamen dann die Gelehrten und münzten die Gefühle und nutzten sie aus. Noch unter der Nachwirkung des Heidentums brachte man das do ut des (Ich gebe, damit du gibst) in der christlichen Dogmatik zur Geltung. Man betrieb Handel und feilschte mit seinem Gott, man verlangte Belohnung für sein Leiden; die Märtyrerqualen mußten durch einen guten Platz im Himmel vergolten werden.

Alles das ist menschlich begreiflich und psychologisch leicht erklärlich. Da ist es denn auch weiter kein großer Schritt vom Martyrium zur Selbstmarterung. Buße sollte getan werden, der Herr hatte gelitten, war gegeißelt und gekreuzigt, seine Anhänger mußten ihm nachfolgen. 1) So hatte schon der Apostel Paulus an die Korinther geschrieben: „Sondern in allen Dingen lasset uns beweisen, als die Diener Gottes in großer Geduld in Trübsal, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen.“ 2)

1) Matthäus XX, 19. Matthäus XXVII, 36. Lucas XVIII. 33.
2) 11. Korinther VI, 4, S.

An anderer Stelle: „Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Streiche weniger eins. Ich bin dreimal gestäupt, einmal gesteinigt.“ 1) Und an die Hebräer schreibt er: „Etliche haben Spott und Geißeln erlitten, dazu, Band und Gefängnis. “ 2) In der Apostelgeschichte las man: „Da fielen sie ihm zu und riefen die Apostel, stäupten sie und geboten ihnen, sie sollten nicht reden in dem Namen Jesu, und ließen sie gehen. 3″) Petrus hatte geschrieben: „Freut Euch, daß Ihr mit Christo leidet“ 4) und „Wer am Fleische leidet, der hört auf von Sünden„. 5)

Derartiges mußte zur Nachfolge im Leiden aufstacheln. „Der Nachahmungstrieb ist beim Menschen ganz unbestreitbar vorhanden und vielleicht der stärkste seiner Natur. Alle Menschen, frivole und ernste, alte und junge, gebildete und ungebildete unterliegen, wenn ‚auch in verschiedenem Grade, dem Triebe, nachzuahmen, was sie sehen, was sie beobachten und erfahren. Kleiderschnitt und Regierungsform, edle Taten und Verbrechen, Selbstmord und Verrücktheit, alle Äußerungen des menschlichen Lebens, die wichtigsten wie die unbedeutendsten, werden Gegenstand der Nachahmung. Es ist begreiflich, daß diese dem Menschen angeborene, Neigung zur Nachahmung sich inmitten einer Menschenmenge, da wo die Phantasie mächtig erregt ist und die Einheit der Zeit und des Orts den Austausch von Eindrücken und Gefühlen außerordentlich steigert und blitzartig beschleunigt; nicht bloß ihre gewöhnliche Wirksamkeit entfalten, sondern sich vervielfältigen, verhundertfachen kann.

1) II. Korinther XI, 24. 25.
2) Hebraeer XI, 36.
3) Apostelgeschichte V. 40.
4) I. Petri IV, 14.
5) 1. Petri IV, I.

Flagellanten, Mittelalter, Geißler, Francisco Goya, Malerei, Büßerbewegung
Prozession der Flagellanten von Francisco Goya (1746–1828).

Fragen wir nun, warum der Mensch nachahmt, warum im Kampf der Leidenschaften sich gerade der Nachahmungstrieb am stärksten äußert, so kann man Angesichts der Tatsache, daß der Nachahmungstrieb plötzlich bei so Vielen in gleicher Form hervortritt, die überraschenden und anscheinend unbegreiflichen Äußerungen und Handlungen einer Masse auf die Wirkungen eines seelischen Kontagiums zurückführen, auf eine Suggestion. 1)

Wer zuerst die Geißel über den eigenen Rücken geschwungen, dürfte wohl nie mit Sicherheit festgestellt werden können. Hospicianus 2) und Jacob Gretser 3) haben sorgfältige Untersuchungen angestellt, und eine Unmenge von Einzelheiten und Einzelfällen beigebracht, aber der Primus Flagellans ist auch von ihnen nicht benannt worden. Zwei berühmte Doktoren der Theologie sind in grimmigen Kampf über diese Frage entbrannt: J. Boileau 4) und J. B. Thiers. 5)

Der heilige Pardulph, der zur Zeit Karl Martells um 737 n. Chr. lebte, ist der erste namentlich erwähnte Poenitent; sowohl ein gleichzeitiger Autor, als 200 Jahre später, Yro, der Prior zu Clugny, teilt mit, daß der heilige Pardulph selten aus seiner Zelle gekommen, meist nur wenn ihn eine Krankheit zwang zu baden, wobei er sich dann noch mit einem Messer Einschnitte in die Haut machte. Während der Fastenzeit zog er sich ganz nackend aus und ließ sich von einem seiner Schüler mit Ruten hauen.

Auch von dem heiligen Wilhelm, Herzog von Aquitanien, einem Zeitgenossen Karls des Großen und Ludwig des Frommen, erzählt sein gleichzeitiger Biograph Harduin, der Herzog habe sich aus Liebe zu Christum geißeln lassen und sei stets mit der Person, die ihn geißelte, allein gewesen.

1) Psychologie des Auflaufs und der Massenverbrechen. Von Prof. Scipio Sighele. Autorisierte deutsche Übersetzung von Dr. Hans Kurella. Dresden und Leipzig. Verlag von Karl Reißner.
2) Hospicianus, de Monachis libri quattuor. Genevae 1669.
3) J. Gretseri societatis Jesu theologi opera omnia. Tomus IV. Ratisbonae 1734.
4) J. Boileau; Historia Flagellantium de recte et perverso flagrorum usu apud Christiarios ex antiquis scripturae, patrum, pontificum, conciliorum et scriptorum profanorum monumentis cum cura et fide expressa Parisiis 1700.
5) Jean Baptiste Thiers: Critique de l’histoire des Flagellans et justification des disciplines volontaires. Paris 1703.

Ähnlich schreibt Haeftenus, der Superior des Klosters zu Afflingen (Flämisch-Brabant), daß der Herzog von Aquitanien gern auf hartem Lager geschlafen habe, und daß er sich auch selbst mit einer Geißel geschlagen habe. Gualterus, der Abt von Pontoise, der um 900 lebte; soll sich mit einer aus knotigen Riemen gemachten Geißel gleichfalls selbst gegeißelt haben.
Viel Schreibens und Rühmens ist von dem heiligen Romuald gemacht worden: er geißelte nicht nur sich selber, sondern peitschte auch seine Mönche tüchtig. Er soll auch bisweilen geträumt haben, daß der Teufel ihn peitsche. Sogar seinen eigenen Vater prügelte er, als dieser, gleichfalls Mönch geworden, wieder in die Welt zurückkehren wollte; und er prügelte ihn solange, bis er seine Seele mit Gottes Hilfe wieder zum Heile zurückgeführt hatte.

Boileau hält für den ersten klassisch beglaubigten Flagellanten den heiligen Guido, Abt des Klosters Pamposa bei Ferrara. Als nämlich Heribert, der Erzbischof von Ravenna jenes Kloster abzureißen befahl, schloß sich der Abt mit seinen Mönchen im Kapitalhause ein und sie schlugen sich mit Ruten. Guido starb im Jahre 1047.
Methodisch betrieb die Geißelungen zuerst der Bischof Rudolf von Eugubio; er legte sich häufig eine Bußübung für 100 Jahre auf und arbeitete dieses Pensum in 20 Tagen unter Anwendung von Geißeln und anderen Disziplinen auf. Außerdem betete er jeden Tag den ganzen Psalter und peitschte sich dabei noch zweihändig mit großen Ruten.

Weit überragte alle Vorgänger und auch die meisten Nachfolger Dominicus Loricatus, d. h. der Gepanzerte, weil er auf nacktem Leibe einen eisernen Panzer trug.
Petrus de Damiani, Kardinalbischof von Ostia, war früher Dominikanermönch zu Fonte Avellana (Gegründet 980. Eremo di S. Croce di Fonte Avellana, Pesaro, Gemeinde Serra Sant’Abbondio. Dante besuchte Fonte Avellano und beschrieb es in der Göttlichen Komödie.) gewesen, wo auch Dominicus lebte; aus eigener Anschauung kennt er also jene flagellantischen Heldentaten, von denen er auch ausführlich berichtet: „Kaum vergeht ein Tag, ohne daß er mit Geißelbesen in beiden Händen während zweier Psalter seinen nackten Leib schlägt, und das in den gewöhnlichen Zeiten, dann in den Fasten, oder wenn er eine Buße zu vollbringen hat – oft hat er eine Bußübung von 100 Jahren übernommen – vollendet er meist drei Psalter unter Geißelschlagen. Eine Bußübung von 100 Jahren aber wird, wie wir von ihm selbst gelernt haben, so erfüllt: da 3000 Geißelschläge nach unserer Regel ein Jahr Buße ausmachen, und wie häufig erprobt ist, während des singens von zehn Psalmen hundert Hiebe erteilt werden, so ergeben sich für die Disziplin eines Psalters fünf Jahre Buße, und wer zwanzig Psalter mit Disziplin absingt, hat zweifellos 100 Jahre Buße vollendet. Doch übertrifft unser Dominicus die Meisten, daß er als echter Schmerzenssohn, da Andere mit einer Hand die Disziplin ausüben, mit beiden Händen unermüdlich die Lüste des widerspenstigen Fleisches bekämpft. Jene Buße von hundert Jahren vollendet er aber, wie er mir selbst gestanden hat, ganz bequem in sechs Tagen. Ich erinnere mich auch, daß er einmal im Anfang der Fasten verlangte, wir sollten ihm tausend Jahre Buße auferlegen, und diese Buße erfüllte er fast ganz, ehe die Fastenzeit verfloß.“

Weiter berichtet Damiani über Dominicus: „Vor einigen Tagen kam er zu mir und erzählte: Als ich zufällig erfuhr, Du habest geschrieben, daß ich an einem Tage neun Psalter mit körperlicher Disziplin abgesungen hätte, erschrak ich und wurde von Gewissensbissen gequält Wehe mir, sagte ich, das ist ohne mein Wissen von mir geschrieben worden, und ich weiß doch nicht, ob ich es vollenden kann; ich will es also nochmals versuchen. Nun zog ich mich aus, bewaffnete meine beiden Hände mit Geißeln und die Nacht durchwachend, hörte ich nicht auf Psalmen zu beten und mich zu schlagen, bis ich am anderen Tage zwölf Psalter vollendet und im dreizehnten bis zum einunddreifsigsten Psalm gekommen war.“

Nie verließ Dominicus das Kloster, ohne eine Geißel mitzunehmen und er gab sich, den Verhältnissen entsprechend, so gut es ging, die Disziplin. Konnte er sich nicht nackt auskleiden, so schlug er seinen Leib, Beine, Schenkel, Kopf und Hals mit Faustschlägen und Ohrfeigen.

Das Aussehen des großen Geißlers mag sich Jeder selbst ausmalen, nur das Wort Damianis will ich noch erwähnen: sein Körper habe ausgesehen wie die Kräuter, die der Apotheker zu einer Ptisane (Grütze aus gekochten Gerstengraupen) gestoßen habe.
Dominicus Biograph und Schüler Petrus Damiani (1006 – 72) übertraf den Lehrer noch; er war Theoretiker und Praktiker zugleich: er sammelte Beispiele, Anekdoten, Belege für die Zweckmäßigkeit des Geißelns: er war der erste Organisator des Systems.
Vier Punkte betonte Damiani hauptsachlich weshalb Geißelungen gut und nützlich seien: um Christo nachzufolgen 1), Märtyrerwerke zu tun 2) das Fleisch zu strafen 3) und um Buße zu tun 4).

Auf die scharfsinnigste Weise wurden diese Sätze dann erläutert und praktische Ratschläge erteilt; aber schon erhob sich Zweifel und die allzugroße Spitzfindigkeit führte zu Streit über die Einzelheiten in der Vollstreckung der Disziplin.
Zwei Streitfragen erregten insbesondere die Gemüter: ob die Geißelung auf den bekleideten oder nackten Körper erfolgen solle, und ob der Rücken oder das Gesäß und die Lenden geschlagen werden sollten. Damiani verlangte: Man solle sich ganz nackt und in Gesellschaft eines Anderen geißeln: derselben Ansicht war der Cardinal Robert Pullus, der um jene Zeit Erzkanzler der römischen Kirche war.

1) Petrus de Damiani: epistolae ad Monachum Petrum Cerebrosum VI, 27. Hoc discplinae genus nequaquam modernis est studiis noviter adinventum, sed ex saerae Scripturae potius auctoritate prolatum. Novimus enim Dominum Salvatorem a praesidis militibus verberatum, beatos apostolos in conciliis a sacredotium principibus caesos. Nonnullos etiam sanctorum martyrum legimus virgis ac flagris durioribus lanciatos.

2) ibidem I. c. Quid absurdum est. quid ineptum, si nunc sancta ecclesia in pacis otio utitur, quo dudum utebatur in bello?

3) ibidem V. c. Carnem et spiritum scopo, qui me delinquisse per carnem et spiritum recognosco.

4) ibidem V, 8. Optime paenitet qui dum carnem verberibus mactat, lucrum quod delectatione carnis amiserat, afflictionibus recompensat et salubrem ille nunc amaritudinem ingerit, cuius olim noxia delectatione peccavit.

Den Vorwurf, daß die Entblößung bei der Disziplin unanständig sei, wies Damiani als Heuchelei zurück und berief sich auf Christi Blöße bei der Kreuzigung. Da einige Gegner Damianis – diese waren der Cardinal Stephan und die florentinischen Geistlichen – plötzlich starben, hielt man solches für ein Zeichen des Himmels, und der Überlebende behielt Recht. Die Frage, ob das Schlagen des Rückens oder des Gesäßes und der Lenden empfehlenswerter sei, ist mehr medizinischer Art. Man meinte, daß die Geißelhiebe auf den Rücken die Augen angreifen, und das zu häufige Bluten dem Gehirne schade. Man wußte aber auch, oder merkte doch, daß Schläge auf das Gesäß und die Lendenmuskeln geschlechtlich aufreizend wirkten.

Das System war nunmehr wohl eingeführt; die Geißelungen wurden als Absolutionmittel für den Beichtstuhl angeordnet; sie wurden als Strafmittel in den Orden und Klöstern beliebter, und bald sollten ganze Menschenmassen unter ihrem Einfluß stehen. Wir wollen hier nur noch einige Einzelerscheinungen jener Zeit erwähnen.

Drei gekrönte Häupter, die Kaiser Heinrich II., König Heinrich III. von England sowie Ludwig IX. von Frankreich ließen sich disziplinieren. Wilhelm von Nangis erzählt, daß der eine Beichtvater Ludwigs diesem doch zu gut diszipliniert habe, zwar hätte er bei dessen Lebzeiten sich nicht beklagt, aber dem Nachfolger Gotfredus de Bello-Loco es scherzend gestanden. Heinrich III. ließ sich zur Beschwichtigung des Zorns seiner Prälaten und des Widerstandes seiner Vasalen geißeln. Kaiser Heinrich II., soll, wie Reginhardt berichtet, seinen Kaiserlichen Schmuck niemals eher angelegt haben, bevor er nicht die Erlaubnis eines Priesters dazu erhalten und sich durch Beichte und Geißelung würdig vorbereitet hatte.
Daß Frauen noch leichter sich mönchischer Zucht unterwarfen und die neu aufgekommene Mode gern mit machten, ist leicht erklärlich: Brigitte von Schweden, Elisabeth von Thüringen, Hedwig von Polen, Maria von Clugny, Hildegard leuchten vor allen.

Die heilige Brigitta von Schweden soll schon als zehnjähriges Mädchen die Gewohnheit gehabt haben, völlig entblößt vor einem Crucifix zu beten. Ihre Muhme (Tante oder Base) überraschte sie einmal bei dieser Andacht und züchtigte sie mit der Rute. Jetzt hatte die kleine Prinzessin von der süßen Frucht gekostet und geißelte sich selber in der Mutter Gegenwart.

Auch ihre Tochter Catharina mußte sich der Disziplin unterziehen. Anfangs bat diese den Beichtvater, recht tüchtig zuzuschlagen, aber bald gab sie an, daß sie keine Versuchungen mehr ankämen. 1)

1) Vita St. Brigittae et St. Catharinae Suenensis.

Energischer betrieb die Landgräfin von Thüringen, Elisabeth, Tochter König Andreas von Ungarn, ihre Disziplin. Oft schlich sie sich nachts aus dem ehelichen Gemach, weckte ihre Frauen und ließ sich von ihnen geißeln, bis diese sie mit Tränen beschworen, Milde gegen sich walten zu lassen. Später begab sich Elisabeth unter die Leitung Konrads von Marburg, des blutgierigen Ketzerrichters. Einmal soll Elisabeth derartig gegeißelt worden sein, daß vier Wochen nachher noch die Streifen zu sehen gewesen sind. Den Schenk von Argula, einem alten Freund und Vertrauten hat die Landgräfin, als er sein Mißfallen und den Argwohn über das Verhältnis Konrads zu ihr aussprach, die Merkmale der Disziplin gezeigt mit den Worten: „Seht da die Liebe, die der heilige Mann zu mir trägt, und die ich zu ihm trage.“

Die Herzogin Hedwig von Polen tötete die Glieder ihres Leibes auf das Härteste mit Geißeln ab. Sie nahm das Kreuz der täglichen Züchtigung auf ihre Schultern und wollte Christus zu Ehren und Liebe ein Opferlamm werden. In den dünnsten und schlechtesten Kleidern, die sie nur notdürftig bedeckten, lag sie ihren geistlichen Übungen ob. Im Winter und Sommer trug sie nur ein einziges Gewand und einen einfachen Mantel. Ihr Leib war infolge des Fastens ganz abgezehrt, die Haut war schmutzig und bleich, von eigentümlicher Färbung, mit Striemen und Wunden überdeckt. Aber sie achtete nicht den Trost, der den Außenleib quälte, sie fühlte nur die heilige Liebe im Innern brennen. 1)

1) L. Surii Vitae Sanctorum.

Quelle: Die Körperstrafen bei allen Völkern von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Kulturgeschichtliche Studien von Dr. Richard Wrede. Verlag: H. R. Dohrn. Dresden 1898.

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