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Friesische Hochzeitstracht aus Sylt Anfang des 18. Jhs.

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Deutschland. Friesische Frau aus Westerland auf Sylt 1724.

FRIESISCHE FRAU AUS WESTERLAND AUF SYLT. Um 1724.

von A. von HEYDEN.

Die Insel Sylt, ein schützender Wall für die schleswigholsteinische Westküste, hatte noch im fünfzehnten Jahrhundert fast die doppelte Breite ihrer jetzigen Ausdehnung; aber Welle auf Welle beraubt das Land, bevölkerte Ortschaften sind in der Tiefe des Meeres begraben, und die schmale Landzunge von Hörnum, wo einst eine mutige, kräftige Bevölkerung wohnte, trägt kaum noch eine einsame Hütte.

Die Insel Sylt ist jetzt noch von etwa dreitausend Seelen bewohnt, mehr Frauen als Männern, denn der gefahrvolle Beruf des Seefahrers, dem die letzteren fast ausschliesslich angehören, rafft leider einen sehr grossen Prozentsatz dieser kräftigen, breitschulterigen Männer dahin. Sie sind gesucht als Kapitäne und Steuerleute der Kauffahrtsschiffe, und auf ihren knochigen, wettergebräunten Gesichtern hat das Leben tiefe Runen geschnitten, ohne den ruhigen, vertrauen erweckenden Ausdruck der tiefblauen Augen beeinträchtigen zu können.

Jede der friesischen Inseln hat ihre eigene Tracht; heute jedoch ist nur noch wenig davon zu finden; gerade der häufige Verkehr mit den Fremden in den Seebadern von Föhr und Sylt nivelliert die Erscheinungen und wirft, was noch von Früherem übrig ist, bei Seite; die Wenigen, welche noch die alte Art gesehen, sterben aus. Der alte Hansen in Keitum, der mit der grössten Pietät alle alten Reste der Vergangenheit von Sylt sammelte, weilt auch nicht mehr unter den Lebenden, und mit ihm ist ein tüchtiges Stück lebender Geschichte und Kulturgeschichte seines Vaterlandes geschwunden.

Das vorliegende Kostüm, sowie einige andere verdanke ich den freundschaftlichen Mitteilungen dieses liebenswürdigen Greises. Es zeigt seine Ahne, Frau Erkel Brooken, Gattin des Hans Carsten Brooken von Westerland, dessen Kostüm wir später bringen werden, im Hochzeitsstaat. Das rote Wollkleid, in vielen Falten an das knappe Mieder gesetzt, reicht bis zur Mitte der Wade des mit roten Strümpfen bekleideten Beines und hat einen breiten weissen Besatz, ebenso wie das Mieder weissen Einsatz hat.

Ein Gürtel von golddurchwirktem Bande, Bialt genannt, und eine goldene Schnur mit mächtigen Quasten sind um die Hüften geschlungen. Manschetten von Spitzen zieren die engen Ärmel, das Handgelenk, wie die Stulpen der weissen Lederhandschuhe. Auf der Mitte des Rockes, fast auf der halben Länge desselben, ist eine goldene Rosette mit Bandenden befestigt.

Über den Schultern liegt ein schwarzer Mantel, mit weissem Pelz gefüttert; kürzer wie der Rock, erreicht er dessen unteren Saum nur durch eine Reihe von dicken Pelzquasten, welche den Saum des Mantels einfassen und in fast gleicher Form häufig bei mittelalterlichen Kostümen auf deutschen Bildern des XV. und XVI. Jahrhunderts sich finden.

Die Falten sind an den Schultern an einen Kragen gesetzt, der, ebenfalls mit Pelz garniert, doch in dem Hauptstück von Goldstoff ist und die grösste Ähnlichkeit mit den Schulterstücken des Mantels der Lübischen Patrizierfrau hat, welche wir auf dem 130. Blatte abgebildet.

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Eine goldene Schnur hält, in ganz mittelalterlicher Art, den Mantel auf der Schulter. Höchst eigenartig ist die Kopfbedeckung, welche den Namen „Huyf“ führte und noch bis in dieses Jahrhundert hinein getragen wurde. Es ist ein nach oben sich schwach erweiternder Zylinder, mit schwarzem Stoffe bezogen und auf dem oberen Drittel der Höhe durch einen Kranz blanker, flacher Messing- und Silberknöpfe geziert.
Diese Kopfbedeckung, deren weitere Veränderung uns ein späteres Kostüm zeigen wird, hat sich aus einer hohen Mütze entwickelt, wie ein Kupferstich aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts (in der Hansen’schen Sammlung) lehrt, dessen Kopie wir beifolgend geben, weil die Analogien mit dem ganzen Kostüm unverkennbar sind.

Der Kranz von Knöpfen läuft um den Stirnrand der spitzen Mütze; wir werden sehen, wie er mit der Zeit immer höher, endlich bis an den oberen Rand rückt. Der Rock ist ebenfalls durchaus in gleichmässige Falten gelegt. Der Gürtel ist vorhanden, nur laufen statt der Bänder und Quasten zwei spitze Enden unter ihm hervor.

Quelle: Blätter für Kostümkunde. Kostümkunde. Historische und Volkstrachten. Dritter Band. Beschreibender Teil. Herausgegeben von A. von Heyden. Berlin. Franz Lipperheide. 1887.

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