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Trachten aus Schleswig Holstein von Albert Kretschmer

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Schleswig Holstein

Schleswig Holstein.

Von Albert Kretschmer (Originaltext).

Die von der Nord- und Ostsee bespülte jütische Halbinsel zeigt in ihrem südlichen Theile, den früheren Herzogthümern, nunmehr preussischen Provinzen Schleswig Holstein, eine bunte Mannigfaltigkeit von Völkerzweigen, wie sie die eigenartige Lage dieser Länder nothwendigerweise bedingte. Sind wir auch über die speciellere ethnologische Stellung dieser Halbinselbewohner nicht überall im Klaren, so gehören sie doch in ihrer Gesammtheit zweifellos dem germanischen Stamme an.

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Schleswig Holstein. An den Küsten.

Im kleidlichen Aussehen dieser Stämme macht sich der Seemann in seinem Beruf als Fischer und Schiffer besonders kenntlich. Er bedient sich der allgemein praktischen Tracht, die das wilde Element ihm an allen Küsten der Nord- und Ostsee vorschreibt. Hier wie dort trägt er den wasserdichten Südwester, der ihm Kopf und Nacken schirmt, eine wollene und leinene, hemdartige Bekleidung des Oberkörpers, rohleinene, sehr weite Hosen, hohe, bisweilen das ganze Bein bedeckende plumpe Stiefeln, ein streifiges Tuch lose um den Hals geschlungen und eine dickwollene, mit Hornknöpfen besetzte Jacke.

In heimatlicher Thätigkeit, an der Küste, sehen wir den Fischer mit der gestrickten, buntstreifigen Zipfelkappe das Haupt bedecken; er trägt über dem wollenen Hemd eine querstreifig bunte oder auch einfarbige Weste mit zwei Reihen Knöpfen besetzt; unter den weiten Leinenhosen werden gewöhnliche Tuchpantalons sichtbar, und über den blauen Strümpfen die plumpen Holzschuhe, mit eisernen Bändern und Nägeln beschlagen.

Dieser Standestracht der Männer entspricht auch die Bekleidung der Mädchen und Frauen der Fischer. Sie kleiden sich in einfache wollene und leinene Stoffe, Formen und Farben, wobei Streifenmuster ebenso wie von den Männern bevorzugt werden. Der runde breitrandige Strohhut wird hier an der Küste wie auch bei der ländlichen weiblichen Bevölkerung Holsteins allgemein getragen. Die Eigenart in der Tracht ist hier schon abgestreift und hat sich allgemein praktischen Kleiderformen zugewandt, wie sie in der Thätigkeit des rührigen Volkes an der Küste wie im Flachlande entsprechen.

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Holstein Probstei

Dagegen ist die volksthümliche Tracht noch erhalten in der Nähe von Kiel und der holsteinischen Küste bei den Probsteierinnen, die diesen ihren Namen von dem bereits säcularisierten Nonnenkloster zu Preetz führen. Während ihre Abstammung nach Ansicht Einiger für unbestimmbar gilt, werden sie von Anderen zu den Friesen gestellt. Und wenn letztere Ansicht sich begründen liese, wäre es, mit Hinzunahme der gleicherweise höchst originellen friesischen Trachten der Bewohnerinnen der schleswigschen Westinseln und von Ostenfeld bei Husum, überhaupt nur noch die friesische Bevölkerung Schleswig Holsteins, welche in der Frauentracht eigenthümlich geblieben ist.

Die Tracht der Probsteierinnen neigt sich durch die Länge der Gewandung einer ernsten Stimmung zu. Schwarz ist die Hauptfarbe. Der in breite Falten gelegte Rock ist an Festtagen in der unteren Hälfte von schwarzen Tasse, in der Oberlin von hochrotem oder schwarzem gepresstem Sammet oder Damast; in weniger kostbarer Ausstattung wird Wolle zum Rocke verwendet. Den vorderen Theil deckt eine Schürze von gleicher Länge wieder Rock, meist von schwarzem Taffet, doch kommen auch dunkelblaue Schürzen vor und als Mädchentracht weiße.

Das hochheraufsteigende Leibchen von schwarzem Taffet ist am unteren Theil mit breiter Perlenstickerei in Blumenmustern besetzt und durch zwei reich verzierte silberne Knöpfe am Halse geschlossen, sowie durch zwei Reihen größerer silberner Knöpfe geschmückt. Ein Gürtel von silbergestickten schwarzem Sammet mit großem, achteckig gestaltetem silbernen Schloß verbindet Rock und Leibchen und ist unmittelbar der Halt Für die Schürze. Die weitfaltigen weißen fein leinenen Hemdärmel sind gleicherweise mit großen reich verzierten silbernen Knöpfen besetzt, sowie auch die zur vollständigen Tracht gehörige Jacke von dunklem, häufig streifigem Seiden- oder Halbseidenstoff mit zwei Reihen dicht aneinander gesetzter Knöpfe geziert ist. Dieser Schmuck der silbernen Knöpfe an der ganzen Kleidung erinnert auch schon lebhaft an die friesische Ausschmückungsweise. Das Haar wird mit farbigem Bande zu einem Zopf geflochten und kranzartig um den Kopf gelegt und darüber nach Erfordernis ein großes, farbig gestreiftes oder schwarzseidenes Tuch in dreizipfeliger Form übergebunden und unter dem Kinn verknüpft. Ein kleines seidenes Knüpftuch um schließt den Hals. Die Fußbekleidung besteht aus weißen Strümpfen und schwarzen Schnürstiefeln.

In Ostenfeld bei Husum ist bei älteren Frauen noch ein ehrwürdiges Stück alten Trachtenbrauches im Gange und steht in harmonischer Zusammenwirkung mit der ganzen Hauseinrichtung, mit der holzgeschnitzten oder mit farbig bemalten Kacheln bedeckten Wandbekleidung, bei den geschnitzten Fensterrahmen, den alterthümlichen Möbeln, den Gefäßen und metallenen schüsseln, die hier auf den Schränken prunken, sowie den Reich und kunstvoll verziert Truhen, die den Kleiderputz bewahren. Dieser wird nicht, wie anderwärts, nur am Sonntag hervorgeholt, sondern gibt auch am gewöhnlichen Wochentage ein charakteristisches Bild der altfriesischen Stammeseigentümlichkeit.

Besonders eigenartig ist das etwa 1,20 Meter im Quadrat geschnittene Kopftuch von weißem Leinen, welches an jedem der vier Zipfel mit einer traubenartigen Quaste beschwerd ist, um so dem nun dreiseitig zusammengelegten Tuche, welches, vorn über der Stirn angelegt, am Hinterkopf ineinanderesteckt wird, den richtigen Faltenzug zu geben. Es bildet sich durch diese Anlegung eine Art Hörnermütze, welche den Scheitel verhüllt und in zwei sich deckenden, am Nacken herabhängenden Zipfeln endigt, von denen der obere den Route eingestickten Namenszug trägt. Wenn so durch Anlegung auf das unbedeckte Haar der Kopfputz hergestellt zu werden pflegt, so wird doch auch zuweilen derselbe auf ein Käppchen, von welchen nur zwei am Nacken herabhängende schwarze Bänder sichtbar werden, aufgebaut.

Die Bekleidung des Oberkörpers besteht zunächst aus einer carmoisinrothen Tuchjacke, von der auch nur wieder die Ärmel dem Auge wahrnehmbar sind, welche mit gelbseidenen Borten an den Nähten eingefasst und mit weiten Aufschlägen am Unterarm versehen sind, die, ähnlich denen der Rococozeit, litzenartig, hier jedoch aus farbig gemustertem Sammet, weißen und gelb seidenen Borten und hohen silbernen Knöpfen zusammengestellt sind und aus denen nur das Bündchen des weißen Hemdärmels herausschaut, welches durch silberne verzierte Knöpfe geschlossen ist.

Eine Überweste von schwarzen Sammet mit schwarzen, blumig gemusterten Sammetborten am vorderen Ausschnitt wie am Rücken besetzt, ist durch silberne Ketten, Knöpfe und viereckige Agraffen geschlossen und hält dadurch den roten Friesland, welche auf der Höhe der Brust mit Silber- und Goldweberei ausgeschmückt, die Vorderseite des Oberkörpers bedeckt.

Als Halsbekleidung dient ein weißleinenes Kragentuch, dessen aufrechtstehendes Bündchen weiße Stickerei ziert, und während man den kragenartigen Theil vorn übereinander steckt, wird ein am Rücken herabfallender Streifen durch Bänder am Gürtel befestigt. Der faltenreiche Fries- oder Wollenrock erreicht beinahe die Füße und ist mit hellblau wollenem Bande eingefasst. Die darüber angelegte dunkelblaue oder streifige Faltenschürze mit dem breiten hellblauen Bündchen oberhalb, sowie die baumwollenen oder schwarzen Strümpfe und die ausgeschnittenen Schuhe von schwarzem Leder mit sehr breiten silbernen Schnallen vervollständigen den Anzug.

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Schleswig Föhr

Die Tracht der Frauen in Föhr, obwohl auch in ernsten Farben gehalten, ist nicht so gravitätisch wie die der Ostenfelderin. Sehr anmuthig in der Anordnung ist das Kopftuch von dunkler, meist schwarze Seide und mit bunten Blumenmustern bedeckt. Während es graziös die bei den Mädchen in Nestform zusammengesteckten Flechten turbanartig umwindet und die seidenen Zipfel mit den langen Franzen malerisch herabhängen lässt, wird bei den Frauen dieser obere Theil des Haares durch eine flach anliegende Kappe von hochrothem Tuch gedeckt und bildet so das Unterscheidungszeichen zwischen Frauen- und Mädchentracht.

Quelle: Volkstrachten. Original-Zeichnungen mit erklärendem Text von Albert Kretschmer. Maler und Professor am Königl. Hoftheatr Berlin. Leipzig J. G. Bach`s Verlag (Fr. Eugen Köhler) 1887. Deutsche Volkstrachten von 1864-1870.

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